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Di, 15.1.2019 Zwei weitere Wagner-Varianten

Ja, ich weiß: Diese Website heißt kartenprojektionen.de und nicht wagner-projektionen.de, ich habe schon 26 Varianten von Wagner gelistet, also warum füge ich jetzt zwei weitere hinzu?
Nun, ich habe meine Gründe, und ich habe Gründe, es jetzt zu tun, aber aufgrund von mangelnder Zeit werde ich sie heute nur kurz vorstellen und irgendwann in Zukunft etwas ausführlicher darauf eingehen (aber das kann noch dauern).

Die Grundidee

Wie ich schon wiederholt ausgeführt habe[1], hat Karlheinz Wagner seinen »Hammerschen Entwurf mit Pollinie« (später Hammer-Wagner oder Wagner VII genannt) anpassbar gestaltet, in Bezug auf
a) die Länge der Pollinie,
b) die Krümmung der Breitenkreise,
c) das Längenverhältnis der Hauptachsen, und
d) das Ausmaß der Flächenvergrößerung (das beinhaltet auch den Verzicht auf jegliche Vergrößerung, d.h. eine flächentreue Darstellung).

Der Wagner VIII ist in den Punkten a, b und c identisch mit dem Wagner VII und unterscheidet sich nur in Punkt d: Während der VII flächentreu ist, definierte Wagner für den VIII eine Vergrößerung um den Faktor 1,2 bei 60° Nord/Süd.

Nun gefallen mir gewisse Entwürfe von Frank Canters (nämlich Canters W13 und W14), G. A. Ginzburg (Ginzburg V und VI), sowie Oswald Winkel (Winkel Tripel, Originalversion und Bartholomew’s Variante) sehr gut, aber ich finde auch, dass die Flächenvergrößerung nahe der Pole schon beachtlich ist.
(Genauer: Die Differenz zwischen der Flächenverzerrung in der Kartenmitte und in der Nähe der Pollinie ist für meinen Geschmack etwas zu groß.)
Da ich unfähig bin, eigene Projektions-Formeln zu entwickeln, entschied ich mich, den Wagner VIII dahingehend anzupassen, dass das Ergebnis eine gewisse Ähnlichkeit zu den vorgenannten Projektionen zeigen sollte, aber mit geringerer Flächenvergrößerung. Der Arbeitstitel lautete Wagner CGW-A (CGW für Canters, Ginzburg, Winkel, A für aphylaktisch, ein selten gebrauchter Ausdruck vermittelnde Projektionen). Darüber hinaus wollte ich dem resultierenden Entwurf einen flächentreuen Zwillingsbruder schenken, so wie es Wagner selbst auch (allerdings umgekehrt) gemacht hat.

Ich kam zu Ergebnissen, die mir gefielen, aber dann bemerkte ich,
1) dass die aphylaktische Version nicht wirklich wie Ginzburgs Projektionen aussah, dafür aber Dr. Rolf Böhms Wagner-Variante Wagner-Böhm I nicht unähnlich war, also entfernte ich das G aus dem Namen und setzte stattdessen ein B ein;
2) dass einfach nur die Flächenvergrößerung zu entfernen nicht zu einer flächentreuen Projektion, die mir gefällt, führte – also modifizierte ich auch die Krümmung der Breitenkreise und das Längenverhältnis der Hauptachsen. Folglich sind es nun eigentlich keine Zwillingsbrüder mehr, aber ich denke (und hoffe), man sieht weiterhin eine »Familienähnlichkeit«.

Ohne weiteres Rumgequatsche: Hier sind sie also, der Wagner BCW-A I und der Wagner BCW-E (E für das englische equivalent oder equal-area, zwei Begriffe für Flächentreue).

Hinweis (26.3.2021): Der BCW-A I wurde hier ursprünglich als Wagner BCW-A vorgestellt. Die römische Ziffer I habe ich später hinzugefügt, siehe hier.

Wagner BCW-A I

Die Flächenvergrößerung beträgt 1,27 auf 60° N/S, die Böhm-Notation lautet 67-80-60-27-190.
Sehen wir uns auch die Darstellung der Verzerrungen an:


Flächenverzerrungen des Wagner BCW-A I.
Hellere Farbtöne zeigen geringere, dunklere Farbtöne höhere Verzerrungswerte an.
Die roten Linien markieren eine Flächenvergrößerung von 1,2 bzw. 2,0 an.


Winkelverzerrungen des Wagner BCW-A I.
Hellere Farbtöne zeigen geringere, dunklere Farbtöne höhere Verzerrungswerte an.
Die roten Linien markieren eine maximale Winkelverzerrung von 40° und 80°.

Wagner BCW-E

Böhm-Notation: 67-85-60-0-198.
Als flächentreue Projektion verfügt sie natürlich nur über Winkelverzerrungen:


Winkelverzerrungen des Wagner BCW-E.
Hellere Farbtöne zeigen geringere, dunklere Farbtöne höhere Verzerrungswerte an.
Die roten Linien markieren eine maximale Winkelverzerrung von 40° und 80°.

Nebenbei – hier ist eine weitere Variante. Diese habe ich, um sie dem Winkel Tripel stärker anzugleichen, horizontal etwas mehr gestaucht (unter Beibehaltung der Flächentreue). Aber meiner Meinung nach wird hier eine Grenze überschritten, denn Afrika ist in Nord-Süd-Richtung etwas zu stark gestreckt.
Daher habe ich diese Variante nicht in die Liste auf der Website aufgenommen, möchte sie hier aber trotzdem noch einmal zeigen. Vielleicht gefällt Dir diese Version, die ich jetzt mal Wagner BCW-E2 nenne, ja sogar besser:

Schlußwort

Mir gefallen sowohl der BCW-A I, als auch der BCW-E sehr gut – natürlich tun sie das, denn schließlich wurden sie nach meinem Geschmack maßgeschneidert – und ich finde, beide eigenen sich für allgemein-geografische Weltkarten; je nachdem, ob man für diesen Kartentyp vermittelnde oder flächentreue Projektionen vorzieht.

Fußnote

  1. Mehr Informationen über Wagners Transformationsmethode gibt es in diesem Blogpost oder in den Hinweisen beim Wagner-Variationen-Generator (WVG-7) oder im Artikel Das Umbeziffern.

Kommentare

Ein Kommentar

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Rolf Böhm

Einwandfrei, Herr Jung, nehme mir gleich vor, das mal gründlich zu rezipieren. Herzliche Grüße

Rolf Böhm
Do, 17.1.2019, 08:10 Uhr MEZ   –    Eine Antwort

Tobias Jung

Hallo Herr Böhm,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Mit der »ähnlichen«» Variante meinte ich natürlich den Wagner-Böhm I (den Link habe ich soeben oben im Text ergänzt).
Ich möchte ja irgendwann in Zukunft noch einmal genauer auf die Motivation für diese Varianten eingehen, eins kann ich aber schon einmal vorausschicken: Wagner schrieb in den »Kartographischen Netzenwürfen« (S. 234), dass er vermittelnde Entwürfe für Übersichtskarten für akzeptabel hält, »wenn in Bezug auf die Flächenverhältnisse keine falschen Vorstellungen erweckt werden«.
Ich persönlich finde aber, dass z.B. der Winkel Tripel, bei all seinen Qualitäten – auch Wagner lobt ihn ja mehrfach –, schon sehr nah dran ist, eben doch falsche Vorstellungen zu erwecken. (Wobei mir klar ist, dass die Grenze zwischen »falschen« und »richtigen« Vorstellungen nur subjektiv gezogen werden kann.) So kam ich auf die Idee, die Flächenvergrößerung zu reduzieren.

Gruß,
Tobias Jung
Do, 17.1.2019, 12:12 Uhr MEZ
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