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So, 1.1.2023 13 Projektionen für 2023 (Intro)

Aktualisiert: Mo, 9.1.2023

Eine Kollektion von Projektionen für politische Weltkarten

Titelbild: Mercator-Projektion

Mercator
Urheber Gerardus Mercator (1569)
Gruppe Zylinder
Eigenschaft Winkeltreu
Andere Namen
Anmerkungen Projektion abgeschnitten bei 84° Nord / 75° Süd

Jedes Jahr mache ich mir einen kleinen Kartenprojektions-Kalender – ausführlich habe ich davon schon vor drei Jahren geschrieben. Vor zwei Jahren habe ich angefangen, jedes Jahr ein bestimmtes Leitmotiv zu verwenden, um eine Entschuldigung dafür zu haben, dass ich Projektionen zeige, die schon in den Kalendern früherer Jahre enthalten waren. Und vor etwa zehn Wochen habe ich politische Kartenbilder für alle Einträge meiner Projektions-Kollektion hinzugefügt. Was lag also näher, als den diesjährigen Kalender mit Kartenbildern dieser Art auszustatten?

In diesem Jahr werdet Ihr also Projektionen sehen
– die ich schon als politische Karte gesehen habe (in Atlanten und auf Postern);
– die ich für diesen Zweck noch nicht gesehen habe, aber eine gute Wahl wären (meiner Meinung nach);
– und drei, die vielleicht etwas »gewagt« erscheinen, aber durchaus ihre Vorteile haben.

Fast alle Karten des Kalenders werden auf 10° Ost zentriert sein, wodurch die rechten und linken Ränder entlang des Meridians auf 170° West verlaufen. Das verhindert beinahe, dass sichtbare Landmassen durchtrennt werden (abgesehen von der Sankt-Lorenz-Insel und ein paar Pixeln vom der östlichsten Spitze Sibiriens; siehe Grafik), aber ein symmetrisches Gradnetz ermöglicht. Den Abstand der Gradnetzlinien habe ich auf 20° gesetzt – bei meinen üblichen 15° wäre das Gradnetz abermals asymmetrisch, und 10° schienen mir für diese Grafiken ein wenig zu engmaschig zu sein.

Jeden Monat wird die aktuelle Projektion noch in einer zweiten Darstellung gezeigt werden. Darauf komme ich gleich zurück.

Sobald ich mich für das Leitmotiv entschieden habe, fange ich an, mögliche Kandidaten auszuwählen. Üblicherweise lande ich bei einer Liste, die mehr Projektionen umfasst, als ich brauche, also sortiere ich ein paar aus. In diesem Jahr waren manche Entscheidungen besonders knapp, daher werde ich in einigen Monaten auch noch Projektionen zeigen, die in letzter Minute rausgeflogen sind – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich war in großer Eile, als ich die finale Version, die zum Druckdienstleister geschickt werden sollte, fertiggestellt habe.

🌐

Das Titelbild des Kalenders zeigt die altbekannte Mercator-Projektion, die wegen ihrer erheblichen Flächenvergrößerungen oft kritisiert wird: Vom Äquator zu den Polen steigt die Vergrößerung exponentiell an, so dass Grönland größer als Afrika erscheint, obgleich Afrika tatsächlich rund vierzehnmal größer ist. Und daher würde auch ich die Mercator-Projektion für die meisten politischen Weltkarten nicht empfehlen!
Es gibt allerdings eine Ausnahme, die John G. Savard[1] dargelegt hat:

Bei einer großen Wandkarte kann man nahe herantreten, um ein einzelnes Land zu betrachten – normalerweise muss man sogar nahe herantreten, um die Beschriftungen zu lesen – und man sieht es in der richtigen Form, weil der Mercator eine winkeltreue Projektion ist. In diesem Moment spielt es keine Rolle, dass es nicht in der richtigen Größe dargestellt wird (im Verhältnis zu den meisten anderen Ländern). Außerdem befindet sich Norden auf dem betrachteten Ausschnitt immer oben (anders als bei einer anderen konformen Projektion, die wir später in diesem Jahr sehen werden).
In diesem Fall muss ich also zustimmen, dass die Mercator-Projektion für eine politische Karte nützlich ist, trotz des schrecklichen Ausmaßes an Flächenvergrößerungen. Aber für Weltkarten in Atlanten, Zeitungsartikeln oder sogar auf kleineren Postern würde ich sie nicht empfehlen.

Da ich gerade von den verschiedenen Arten der Publikationen spreche…
Für die Grafiken im Kalender habe ich eine Darstellung gewählt, wie sie üblicherweise in Atlanten oder auf Wandkarten verwendet wird: Mit einem Gradnetz, einen blauen Fläche für die Ozeane und einer Begrenzung, die die Ränder der Karte markiert. Aber in Zeitungsartikeln und ähnlichen Druckwerken werden diese Elemente oft weggelassen – und darüber hinaus wird die Antarktis gar nicht erst gezeigt. Also dachte ich, es wäre interessant, die enthaltenen Projektion auch in derartiger Weise zu zeigen. Da mir keine bessere Bezeichnung einfiel, werde ich dies die OGABO-Version nennen – für »Ohne Gradnetz, Antarctica, Begrenzung, Ozeane«. Und hier ist sie für die Mercator-Projektion:

Abgesehen vom o.g. Problem der Flächenvergrößerungen lässt sich der Mercator in dieser Darstellungsweise gut benutzen, wie vermutlich jede zylindrische Projektion. Das Problem wird m.E. hier aber noch dadurch verstärkt, dass der wachsende Abstand der Gradnetzlinien – welcher wenigstens auf die Nord-Süd-Streckung hinweist – fehlt. Im Verlauf des Jahres werde ich noch einen anderen zylindrischen Entwurf zeigen, der sich daher in meinen Augen besser eignet.

Die Grafik im Kalender ist bei 84° Nord und 75° Süd abgeschnitten, womit sie schon mehr von den Polargebieten zeigt als die meisten Beispiele, die ich gesehen habe. Die Mercator-Projection muss irgendwo beschnitten werden, da sich Pole ins Unendliche ausdehnen. Und man sollte sie wirklich nicht später als irgendwo in den Mitt-Achtziger Breitengraden abschneiden, denn… nun, man kann sie bis, sagen wir mal, 89,999° Nord/Süd ausdehnen, aber normalerweise wird man das nicht tun wollen:


Die Mercator-Projektion, abgeschnitten bei 89,999° Nord/Süd

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Letztes Jahr hatte ich einen Kalender voll von meinen eigenen Experimenten. Also halte ich mich dieses Jahr damit zurück. Die einzige Projektion dieser Art (und gleichzeitig) die einzige, die noch nicht in meiner Kollektion gelistet wird), zeige ich etwa Mitte Januar.
Frohes neues Jahr!

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Update 9.1.2023:
Wie ich in in meinem Blogpost Das Durchtrennen von Land minimieren angekündigt habe, werden die meisten Projektionen des diesjährigen Kalender auch in einer plagalen Lage gezeigt.

Diese Version kann noch stärker beschnitten werden, wodurch die am meisten vergrößerten Gebiete entfernt werden. Nichtsdestoweniger verbleiben bedenkliche Vergrößerungen, und Afrika sieht ziemlich dubios aus. Ich glaube, ich würde diese Lage nicht für die Mercator-Projektion empfehlen. Geeignetere Projektionen werden im Laufe des Jahres präsentiert.

Quellenangaben / Fußnoten

  1. Siehe auf Johns hervorragender (englischer) Website das Kapitel über Mercator, sowie im Kapitel über die Equal-Earth-Projektion den Abschnitt unter der Überschrift »Closing Comments on the Projection Controversy« am Ende der Seite.

Mein Kartenprojektions-Kalender 2023

Um einen anderen Teil der Serie meines 2023er Kartenprojektions-Kalenders zu lesen, wähle den gewünschten Monat aus.

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